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Katharina Lohmann und Christoph Schmidt © D. Butzmann

Interview

Impulsgeber der Stadtentwicklung und Kulturgut: Die Internationale Gartenausstellung Berlin 2017

Berlin steht vor großen Herausforderungen wie z.B. Klimawandel und demografischer Wandel. Zukunftsweisende Modelle der Stadt- und Freiraumplanung, die soziale, ökologische, kulturelle und ökonomische Ansprüche an die Stadt des 21 . Jahrhunderts zusammenbringen, können hierfür interessante Lösungsansätze hervorbringen. Welche Rolle Gartenausstellungen, im Besonderen die Internationale Gartenausstellung (IGA Berlin 2017) dabei einnehmen und weshalb die IGA und das Berliner Stadtgrün als Kulturgut neu betrachtet werden sollten, darüber sprachen wir mit IGA-Geschäftsführerin Katharina Lohmann und Christoph Schmidt, Geschäftsführer der IGA Berlin 2017 GmbH und der Grün Berlin GmbH.

Berlin wächst und verdichtet sich aktuell mit hohem Tempo. Welche Bedeutung messen Sie Parkanlagen in dem knapper werdenden öffentlichen Raum zu?

Katharina Lohmann: Städtisches Grün kann neben allen stadtentwicklungsrelevanten Aspekten ruhig als kulturelle Errungenschaft bezeichnet werden: es hat Bestand, wird akzeptiert und bewahrt. Seit Jahrhunderten sind Parks und Gärten – und seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts auch Gartenausstellungen – Lebens-, Erholungs- und Kulturorte. Wenn man so will: Kulturgut. Hier finden Menschen allen Alters Erholung und können für den Alltag auftanken. Die Kreativszene erprobt gern neue Formate im öffentlichen grünen Raum. Zugleich sind Parks Begegnungsräume für Sport, Familienpicknicks oder Sommerfeste. Natürlich kann man hier auch ganz tradiert „spazierengehen“.

Christoph Schmidt: Parkanlagen stehen für pure Lebensqualität! Die Schaffung von grünen Orten in einer wachsenden Stadt wie Berlin ist somit unabdingbar. Gerade Städter sehnen sich nach Natur. Umso mehr eignen sich Parkanlagen auch, um zunehmend verloren gehendes Wissen durch Umweltbildungsangebote nahe zu bringen.

Stadtgrün als Ausdruck städtischer Lebenskultur spielt im Städtetourismus eine zunehmende Rolle. Können Akteure aus der Kulturwirtschaft davon profitieren?

Katharina Lohmann: Berlin bleibt nur hip und cool, wenn sich die Touristen nicht alle „in der City“ und somit auf engem Raum aufhalten. Berlin ist eine vielseitige Stadt, in der es unvermutete und spannende Orte zu entdecken gibt. Dabei spielen Parks zunehmend eine Rolle, sie werden immer mehr zur Open-Air-Kulisse für Festivals und Veranstaltungen aller Art. Hier treffen Städter auf Touristen und gehen gemeinsam Trends wie „urban gardening“ nach. Kulinarik im Grünen wie auf der beliebten „Thaiwiese“ im Preußenpark zählen ebenso dazu wie Fashionshows oder auch Theateraufführungen von der Shakespeare Company im Schöneberger Südgelände, die weit im Voraus ausgebucht sind.

Welche Spuren hinterlassen Großprojekte wie die Internationale Gartenausstellung, die 2017 stattfindet?

Christoph Schmidt:Wenn die IGA im Oktober 2017 endet, rollen wir den „grünen Teppich“ nicht wieder ein. Im Gegenteil, der Großteil der neu geschaffenen Attraktionen und touristischen Infrastrukturen bleibt erhalten – in den erweiterten „Gärten der Welt“, die ab Ende 2017 wieder eigenständig ihre internationale Strahlkraft entfalten, und im Kienbergpark, der als neuer Volkspark für Berlin aus der IGA hervorgeht. Die IGA ermöglicht somit, dass dieser Grünzug inmitten einer der größten Plattenbausiedlungen Europas langfristig zu einer interessanten und gefragten Adresse in Berlin wird und somit den Rand in die Mitte der Stadt rückt.

Katharina Lohmann: Eine Form der Nachhaltigkeit liegt aber auch in der Einmaligkeit: Unsere Gäste bekommen viele unvergessliche Erlebnisse – mit Berlins erster Kabinenseilbahn, internationalen Gärten der besten Landschaftsarchitekten der Welt und einer spektakulären Aussichtsplattform auf dem Kienberg, dem „Wolkenhain“. Neben dem floralen „Feuerwerk“ auf 100 Hektar und modernen Architekturen werden sie ein wunderbares Kunst- und Kulturprogramm erleben. Das wird Vielen lange in Erinnerung bleiben. Die ehrenamtlichen Helfer und alle Beteiligte werden stolz sagen: Ich war dabei! Gemeinsam haben wir Großes geschaffen!

Christoph Schmidt: Die IGA gibt zudem deutliche Impulse für die Entwicklung der Stadt an der Peripherie, die lange nachwirken werden. Die IGA als Großereignis mobilisiert die Verbesserung verkehrlicher Infrastrukturen, belebt den Handel und inspiriert Wohnungsgesellschaften sogar, Häuserfassaden im Umfeld einen neuen Anstrich zu geben. Auch die Kulturszene im Bezirk ist auf die IGA aufgesprungen und präsentiert sich im Rahmen des vom Bezirk angeschobenen Projektes „IGA vor Ort“. Schon jetzt, im Vorfeld der Eröffnung, ist die IGA stadtweit in aller Munde – und damit der Bezirk Marzahn-Hellersdorf als Austragungsort. Für die Stärkung des Standortes als attraktiver Wohnort ist dies von unschätzbarem Wert.

Kino open air und Veranstaltungen im Park sind äußerst beliebt. Beeinflusst Sie dies bei der Planung und Entwicklung von neuen Parkanlagen?

Christoph Schmidt: Wir greifen diese Entwicklung auf. Veranstaltungen sind integraler Bestandteil unserer Planungen für neu zu entwickelnde und bestehende Parkanlagen, die die landeseigene Grün Berlin GmbH bereits bewirtschaftet. Hierfür schaffen wir Veranstaltungsorte mit den entsprechenden Infrastrukturen, um Events wirtschaftlich und professionell anbieten zu können. Ein Beispiel dafür ist die neue Freilichtbühne in den Gärten der Welt, die mit der IGA eröffnet wird. Sie ist bespielbar mit bis zu 5.000 Plätzen und wird sich, wenn es nach uns geht, zur neuen „Waldbühne des Ostens“ entwickeln.

Der Spreepark im Plänterwald soll ein Kulturpark werden. Warum werden eigentlich Landschaftsplaner für die Gestaltung von grünen Kulturorten herangezogen?

Christoph Schmidt: Für die Entwicklung des Spreeparks sind ja nicht nur Landschaftsplaner am Werk. Vielmehr wird ein interdisziplinäres Team aus Szenographen, Architekten, Kulturmanagern, Tourismusexperten und eben auch Landschaftsarchitekten zusammenarbeiten. Das bringt Anstöße und Sichtweisen in den Prozess, die sich ausgezeichnet ergänzen. Die Akteure sind untereinander und stadtweit gut vernetzt.

Bürger werden bei der Entwicklung von Stadträumen zunehmend einbezogen. Spielen kulturelle und künstlerische Ausdrucksmittel oder Formate für den Dialog
eine Rolle?

Katharina Lohmann: Kunst spielt auf der IGA eine diskursive Rolle. Denn aus Anlass des Gartenfestivals haben wir eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Ort und mit der Zukunft von Stadtlandschaft und Stadtgesellschaft initiiert. International renommierte Künstlerinnen und Künstler wie Jeppe Hein, Anna Rispoli, Seraphina Lenz, Martin Kaltwasser u. a. entwickeln dafür Arbeiten, die zum Querdenken auffordern. Lenz erarbeitet beispielweise ein Theaterstück mit Laien. Dafür geht sie in Dialog mit den Bewohnern des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf und wählt die Darstellende Kunst als Ausdrucksmittel, indem sich Stadtbewohnerinnen und -bewohner mit der IGA und der damit verbundenen Veränderung und Entwicklung eines jeden selbst auseinandersetzen.