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Fachartikel

Elemente einer digitalen Strategie für Kulturbetriebe

Prof. Dr. Lorenz Pöllmann

Die digitale Transformation führt zu einem Wandel der Kulturbetriebe und stellt zunehmend die Frage nach deren digitaler Kompetenz. Denn die Bedürfnisse von Besucher*innen und (zukünftigen) Mitarbeiter*innen ändern sich: Wer seinen Alltag digital organisiert, erwartet auch digitale Anschlussfähigkeit der Kulturbetriebe. Damit sind nicht nur responsive Onlineangebote mit kurzen Ladezeiten und einer adäquaten User-Experience gemeint. Digitale Professionalität verliert seine Funktion als Reward-Faktor, der überraschend Begeisterung auslöst und avanciert zum Penalty-Faktor, der als Basisanforderung vorausgesetzt wird und bei mangelhafter Qualität zu Enttäuschung führt. Die Ausprägungen des Digitalisierungsgrades unterscheiden sich zwischen einzelnen Arbeitsbereichen teils erheblich. Beispielsweise ist eine digitale Licht- und Tontechnik in Theater- und Konzerthäusern längst Standard, agile Arbeitsprozesse oder der Einsatz von Big Data in der Besucherforschung hingegen nicht. Somit ist eine ganzheitliche Betrachtung sinnvoll, um individuelle Silolösungen zu vermeiden, die oftmals in ihrer Anschlussfähigkeit eingeschränkt sind. Nachfolgend sollen einige Gedanken zu Kernelementen einer digitalen Strategie in aller Kürze skizziert werden, die in einem Canvas-Modell (vgl. Abb. 1) zusammengefasst sind (vgl. ausführlich Pöllmann & Herrmann 2019).

Abb.1: Digital-Strategie-Canvas für Kulturbetriebe

Vision, Zielsetzung und digitale Positionierung

Die Diskussion um ein digitales Leitbild kann jeden Prozess schnell um ein Jahr oder länger verzögern. Dennoch ist sie wichtig: Jeder Kulturbetrieb muss – unter Berücksichtigung der Ressourcen und der Realisierbarkeit – eine Haltung zu den digitalen Möglichkeiten, deren Einsatz und die damit verbundene Positionierung entwickeln. Dabei muss die Positionierung keine einseitige Entscheidung pro oder contra Digitalisierung sein. Beispielsweise setzt das Rijksmuseum in Amsterdam einerseits auf digitale Innovation, indem Besucher z. B. eigene Merchandise-Produkte gestalten können. Andererseits motiviert das Museum mit der Aktion #StartDrawing die Besucher auch, das Smartphone in der Tasche zu lassen und sich durch das Zeichnen der Bilder aktiv und intensiv mit den Inhalten des Museums zu befassen.

Digitales Leistungsangebot

Im Zentrum der Strategie steht das digitale Leistungsangebot. Dies beginnt bei der Dokumentation der kulturellen Inhalte: Beispielsweise können durch digitale Sammlungen die Museen Einblicke in die Magazine gewähren – schließlich zeigen viele Museen nur einen Bruchteil der Sammlung in den Ausstellungen. Auch Streaming-Angebote der Theater, Opern und Konzerthäuser ermöglichen niedrigschwellige Zugänge zu künstlerischen Leistungen. Hinzu kommen neue digitale Sparten wie z. B. Volksbühne Fullscreen oder die Digital Concert Hall, die über eine Dokmentation der analogen Leistungen hinausgehen – bis hin zu originär digitaler Kunst wie dem VR-Theater der Künstlergruppe Cyberräuber.

Neue Besucher

Mit den digitalen Angeboten, die oftmals online und damit orts- und zeitunabhängig angeboten werden, rückt auch ein neuer Besuchertyp in den Fokus: Mediale Besucher*innen, die die Institution nicht vor Ort erleben, sondern über deren Medien. Dies führt auch zu einer neuen Perspektive auf Fragen der Auslastung als zentrale Kennzahl und die Vermittlungsarbeit der Kulturbetriebe. Online-Kommunikation ist somit nicht mehr nur als Werbung, sondern als virtuelle Erweiterung der Kulturbetriebe zu verstehen.

Datenschutz und Datennutzung

Mit den neuen Besuchern ist auch das Thema Besucherforschung zu überdenken. Aber auch die Datennutzung der Besucher vor Ort: Beispielsweise steht die Auswertung der Daten aus dem Ticketing noch am Anfang, birgt aber erhebliches Potenzial. Gleichzeitig bleibt die Frage, welche der Möglichkeiten, die sich ergeben, auch legal sind und wie intensiv ein „guter“ Kulturbetrieb seine Besucher analysieren bzw. die Datensouveränität seiner Besucher*innen respektieren möchte.

Digitale Infrastruktur

Die operative Umsetzung ist schließlich mit dem Aufbau einer digitalen Infrastruktur verbunden wie der Anschaffung von Dokumentationsequipment zur Herstellung von Digitalisaten (z. B. 3D-Scanner), Präsentationstechnik (z. B. VR-Brille) oder Softwarelösungen (z. B. Theasoft, Trello, Slack etc.). Auch das Angebot eines flächendeckenden WLan-Empfangs stellt viele Institutionen vor Herausforderungen. Teilweise kann die digitale Infrastruktur allerdings auch ausgelagert werden: Da nahezu alle Besucher*innen mit einem Smartphone vor Ort sind, können Audioguides zukünftig über deren Endgeräte abgespielt werden, wodurch keine eigenen Geräte mehr angeschafft werden müssen.

Interne Arbeitsprozesse

Die Digitalisierung wird oftmals in Zusammenhang mit dem Verlust von Arbeitsplätzen diskutiert. Auch im Kulturbetrieb stellt sich die Frage, wie sich Stellenprofile verändern werden. Derzeit lässt sich aber auch ein Rebound-Effekt beobachten: Während viele Arbeitsprozesse effizienter werden, kommen durch die Digitalisierung zahlreiche neue Aufgaben hinzu, sodass die Arbeit nicht weniger wird und zusätzliches Personal benötigt wird. Die digitale Transformation der Kulturbetriebe verlangt zum einen eine ausführliche Diskussion über Grenzen eines sinnvollen Einsatzes digitaler Möglichkeiten (#WalterBenjamin). Zum anderen geht sie mit einem kreativen und aufregenden Prozess des Auslotens neuer Gestaltungsoptionen einher. An dessen Ende wird bei vielen Institutionen eine Repositionierung stehen und mitunter die Herausbildung neuer Kulturbetriebe.

Literatur

öllmann, L. & Herrmann, C. (2019): Kulturbetriebe im digitalen Wandel: Grundlagen einer digitalen Strategie, in: Pöllmann, L. & Herrmann, C. (Hrsg.): Der digitale Kulturbetrieb – Strategien, Handlungsfelder und Best Practices eines digitalen Kulturmanagements, Wiesbaden: Springer Gabler, S. 3-37